Sonntag, April 28, 2024
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Agiles Arbeiten in der Praxis: Wichtige Kriterien für Agilität bei Entwicklungsprojekten

Königstein im Taunus (karriere tutor, btn) – Agiles Arbeiten ist zu einem Buzzword mutiert, das in Unternehmen immer häufiger zu hören und auf Unternehmenswebsites immer häufiger zu lesen ist. Doch was bedeutet Agilität eigentlich? Und was sind die Kriterien für die Agilität einer Firma? Jörg Doebler, Dozent beim Weiterbildungsanbieter karriere tutor und Experte für agiles Arbeiten, beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.

Wie wird ein Unternehmen agil?

Jörg Doebler: Die Transformation zu agilem Arbeiten braucht Zeit und Erfahrung. Es ist nicht möglich, „mal eben“ auf agiles Arbeiten umzustellen, denn die Rahmenbedingungen unterscheiden sich von Projekt zu Projekt. Doch es gibt Faktoren, an denen sich relativ leicht feststellen lässt, wie weit ein Unternehmen auf dem Weg zu agilem Arbeiten bereits ist.

Welche Faktoren sind das?

Doebler: Zum einen sind klare Begrifflichkeitenwichtig. Wenn man agiles Arbeiten einführt, sollte jeder Mitarbeiter dasselbe Verständnis davon haben, was agil bedeutet. Wenn jemand agiles Arbeiten als Verzicht auf Konzeption, Planung und Termine versteht und einfach drauflosarbeitet, um zu sehen, was passiert, können Schwierigkeiten entstehen. Wichtig ist auch das Verständnis, dass Scrum und agiles Arbeiten nicht dasselbe sind. Das Vorgehensmodell Scrum definiert Regeln, Rollen und Arbeitsabläufe in zeitlich festgelegten Sprints. Die Anwendung von Scrum trägt zu einer agilen Arbeitsweise bei, während „agil“ eine eigene Denkweise oder Kultur bezeichnet, die mehr umfasst als Scrum. Man kann auch agil arbeiten, ohne Scrum einzusetzen.

Das Etablieren agiler Rollenist ein weiteres Kriterium. Was ist damit gemeint?

Doebler: Im Scrum sind die Rollen des Product Owner, des Scrum Master und des Entwicklungsteams definiert. Der Product Owner ist interessiert daran, dass das richtige Produkt bestmöglich abgeliefert wird, und steht im stetigen Austausch mit allen Stakeholdern. Der Scrum Master muss unter anderem sicherstellen, dass das Team nicht überlastet ist und dass Termine eingehalten werden. Er hat inhaltlich nichts mit dem Produkt zu tun. Daneben gibt es weitere Stakeholder, etwa Endnutzer oder Beteiligte auf Kundenseite. Mehr Rollen braucht es nicht. Das bedeutet auch, dass man sich von der Rolle des klassischen Projektmanagers verabschieden muss.

Würde es sich nicht anbieten, bisherige Projektmanager als Scrum Master und Product Owner in Personalunion einzusetzen?

Doebler: Nein. Scrum Master und Product Owner ist jeweils eine Rolle, die bereits genug Aufgaben mit sich bringt. Eine Person, die beide Rollen erfüllen müsste, würde zwangsläufig Aspekte einer der Rollen vernachlässigen. Noch kritischer wird es, wenn niemand die Rolle des Scrum Masters besetzt. Dann ist nicht definiert, wer sicherstellt, dass das Team produktiv arbeiten kann, dass Deadlines eingehalten werden oder dass das Team mithilfe von Retrospektiven dazulernt und effektiver wird.

Agil oder nicht agil: Wie unterscheidet sich in der Praxis die Art und Weise, wie Teams arbeiten?

Doebler: In Unternehmen werden häufig mehrere Projekte für mehrere Kunden gleichzeitig bearbeitet. Dabei entsteht die Herausforderung, die anfallende Arbeit möglichst effektiv auf alle Mitarbeiter zu verteilen. In der klassischen Ressourcenplanung erstellt ein Projektmanager Pläne für mehrere Tage oder Wochen und teilt den Mitarbeitern nach dem Push-Prinzip Aufgaben zu. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Pläne in der Realität nur selten aufgehen. Mitarbeiter können krank werden, Projekte ins Stocken geraten, weil Zulieferungen nicht rechtzeitig kommen, andere unvorhergesehene Schwierigkeiten tauchen auf. Die Folge: eine ungleiche Arbeitsbelastung der Kollegen, Überstunden und Stress. Agiles Arbeiten setzt stattdessen eine Pull-Mentalitätvoraus. Das ist das nächste Kriterium. Das Pull-Prinzip bedeutet, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich bestimmen, welche Aufgaben sie wann bearbeiten. Damit das funktioniert, müssen Aufgaben und deren Fortschritt transparent kommuniziert werden, etwa mit einem Kanban-Board. Damit das Pull-Prinzip funktioniert, ist ein häufiger Austausch wichtig. Die Mitarbeiter müssen eigenverantwortlich handeln können und dürfen nicht darauf warten, dass ihnen jemand sagt, was sie tun sollen.

Welche Faktoren sind noch wichtig für agiles Arbeiten?

Doebler: Agile Teams sollten vor allem konstante Teamssein, die im besten Fall crossfunktional arbeitenund räumlich eigene Bereichehaben. Nur feste Teams können sich optimal entwickeln und ihre Geschwindigkeit halten oder sogar steigern, indem sie voneinander lernen, ihre Prozesse und Kommunikation aufeinander abstimmen und durch Retrospektiven Probleme identifizieren und lösen. Natürlich ist es nicht immer möglich und wünschenswert, ein gesamtes Unternehmen über alle Projekte in konstante Teams aufzuteilen. Hier gilt es, eine Balance zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert. Außerdem gilt es, agile Angebotefür den Kunden zu erstellen. Denn während ein Projekt auf Unternehmensseite bearbeitet wird, können sich die Anforderungen auf Kundenseite ändern. Sinnvoll ist es daher, im Angebot beispielsweise keine genauen Liefergegenstände festzulegen, sondern geleistete Arbeitsaufwände abzurechnen. So bleiben Projekte agil und der Kunde bestimmt im Projektverlauf mit, was er für sein Geld bekommt, indem er die Liste seiner Anforderungen zusammen mit dem Team aktuell hält und regelmäßig neu priorisiert.

Sie haben weitere Stakeholder angesprochen. Welche Bedeutung kommt diesen im agilen Arbeiten zu?

Doebler: Die Einbindung von Stakeholdernist ein weiteres wichtiges Kriterium, wenn es um agiles Arbeiten geht. Nicht nur das Team muss so früh wie möglich in die Kommunikation involviert sein, sondern auch alle anderen Beteiligten. Nur so lässt sich beurteilen, ob die agile Umsetzung eines Projekts sinnvoll ist und wie lange sie dauern wird. Entscheidend ist eine Teamarbeit mit dem Kunden. Ein Kunde-Dienstleister-Verhältnis funktioniert im agilen Umfeld nicht. Stattdessen sollten sich Kunde und Unternehmen als ein Team verstehen, das gemeinsam ein Projekt realisiert. Nur wenn das Wissen von beiden Seiten zusammenkommt, können nutzerzentrierte Produkte entstehen, die alle Beteiligten zufriedenstellen. Das bedeutet auch, dass es auf Kundenseite feste Ansprechpartner geben muss, die Fragen zum Projekt beantworten und Entscheidungen treffen.

Welche Vorteile hat diese Kommunikationskultur?

Doebler: Ganz einfach: Auf diese Weise wird das Produkt in einer Qualität entwickelt, die alle Beteiligten zufriedenstellt. Frühes und häufiges Feedbackdurch alle Beteiligten ist in der agilen Entwicklung enorm wichtig. Die Kunden und das komplette Team geben dem Product Owner Feedback zu den User Storys, Nutzer geben in Usability-Tests Feedback während verschiedener Phasen, der Kunde gibt seinerseits Feedback zu den umgesetzten User Storys.

Feedback und Retrospektive bedeuten auch, dass das agile Team das Projekt nach seinem Abschluss analysiert, oder?

Doebler: Genau. Agiles Arbeiten ist im Grunde ein Wandel der Unternehmenskultur, die Schaffung von gemeinsamen agilen Wertvorstellungen und Prinzipien auf allen Hierarchieebenen. Es ist ein ständiges Lernen. Der Wandel zu agilem Arbeiten ist ein Prozess, der nicht einfach ist und kein fest definiertes Ende hat. Es ist ein stetiges Hinterfragen, Lernen und Verändern. Man setzt eine Maßnahme nach der anderen um und lernt, was funktioniert und was nicht. Darauf baut man auf. Wichtig ist es, einen internen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu etablieren und sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen.


Joerg Doebler
Joerg Doebler (Bild von karriere tutor)

Zur Person: Jörg Doeblerhat nach seinem Abschluss als Java Developer mehr als zwölf Jahre als Business- und Prozess-Analyst in der Telekommunikationsbranche gearbeitet. Um seine Expertise im IT-Bereich auszubauen, absolvierte er diverse Weiterbildungen, unter anderem ITIL® Foundation, ITIL® Service Operation, ITIL® Expert, PRINCE2® Foundation, Practitioner und Agile, SAP ERP 6.0. Beim Online-Weiterbildungsexperten karriere tutorverbindet er Theorie und Praxis als Dozent und Fachmann für agiles Arbeiten.

Über karriere tutor: Die 2015 gegründete karriere tutor GmbH mit Sitz in Königstein im Taunus ist Experte für Online-Weiterbildungen. Ziel des Start-ups ist es, Menschen glücklicher und erfolgreicher in ihrem Job zu machen. Das Angebot des Unternehmens beschränkt sich deshalb nicht nur auf Weiterbildungen, sondern ist ganzheitlich angelegt. So bietet karriere tutor® Teilnehmern Unterstützung bei der Suche nach ihrem Traumjob an oder bereitet sie mit kostenlosen Bewerbercoachings auf die optimale Präsentation beim Wunscharbeitgeber vor. Rund 100 angestellte Mitarbeiter sind im Einsatz, um dieses Ziel zu erreichen. Eine der tragenden Säulen des Unternehmens ist die Entwicklung innovativer Weiterbildungsmodelle und die fortlaufende Gestaltung zukunftsfähiger Formen des beruflichen Lernens.

Jens Breimeier
Jens Breimeier
Jens Breimaier kümmerte sich bei BTN Media um Business Development und den Aufbau von neuen Geschäftsfeldern. Er hat über 19 Jahren Erfahrung und Erfolg im Medien- und Onlinebusiness, u.a. bei Burda, Verlagsgruppe Milchstraße, Bauer Verlagsgruppe und Vibrant Media: "Ich arbeite mit Brands, Agenturen, Startups und Publishern im Online-Business und unterstütze sie beim Wachstum ihres Geschäfts sowie beim Aufbau von Know-How und Netzwerk. Meine Erfahrung als Sales- und BD-Verantwortlicher, sowie bei der Umsetzung von komplexen Aufgabenstellungen geben mir eine fachliche Basis und Kompetenz, die ich weiter geben möchte."
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